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Inmitten des wieder entbrannten Grenzkonflikts mit Kambodscha hat der thailändische Regierungschef Anutin Charnvirakul das Unterhaus aufgelöst und damit Neuwahlen in die Wege geleitet. Die Mitglieder der Parlamentskammer würden neu gewählt, hieß es am Freitag in einem Dekret, das im königlichen Amtsblatt des südostasiatischen Landes veröffentlicht wurde. Unterdessen dauerten die Kämpfe an der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha weiter an.
Der rechtsgerichtete Bau-Magnat Anutin war erst im September zum Regierungschef gewählt worden, nachdem seine Vorgängerin Paetongtarn Shinawatra vom Verfassungsgericht ihres Amtes enthoben worden war. Die größte Oppositionskraft, die Volkspartei, stellte sich damals hinter Anutin und seine konservative Bhumjaithai-Partei. Sie knüpfte ihre Unterstützung allerdings an die Bedingung, dass das Parlament binnen vier Monaten aufgelöst wird und Neuwahlen stattfinden. Der Schritt kam für viele Beobachter dennoch unerwartet: Mit der Auflösung war erst nach Weihnachten gerechnet worden.
Im Dekret zur Auflösung des Parlaments wurde die Tatsache, dass Anutin einer Minderheitsregierung vorsitzt, als Begründung für die Maßnahme angeführt. Eine solche Regierung könne angesichts der zahlreichen Herausforderungen "die Staatsgeschäfte nicht kontinuierlich, effizient und stabil weiterführen", hieß es dort. Neuwahlen seien daher die "angemessene Lösung".
Zugleich hatte die oppositionelle Volkspartei am Donnerstag angekündigt, einen Misstrauensantrag gegen Anutin im Parlament einbringen zu wollen. Hintergrund war der Vorwurf, die Regierungspartei Bhumjaithai habe bei einer entscheidenden Abstimmung über Verfassungsänderungen gegen die Vereinbarung mit der Volkspartei verstoßen.
Anutin erklärte nach der Verkündung der Auflösung des Parlaments, er habe auf die Opposition gehört. "Sie haben gesagt, dass sie mich nicht mehr unterstützen würden und mich angerufen, das Parlament aufzulösen. Ich habe lediglich ihrer Anfrage folge geleistet", sagte er vor Journalisten in Bangkok.
Nach thailändischem Recht müssen Neuwahlen 45 bis 60 Tage nach der Auflösung des Parlaments abgehalten werden. Der Urnengang wird somit zwischen Ende Januar und Anfang Februar erwartet.
Die Anordnung zur Auflösung des thailändischen Repräsentantenhauses erfolgte weniger als eine Woche nach dem Wiederaufflammen von Thailands Grenzkonflikt mit Kambodscha. Die Kämpfe hielten am Freitag weiter an. Die thailändische Armee feuerte nach Angaben des kambodschanischen Verteidigungsministeriums mit Maschinengewehren auf kambodschanische Positionen. Reporter der Nachrichtenagentur AFP hörten am Freitag ununterbrochen Artilleriefeuer an der Grenze.
Seit dem erneuten Ausbruch der Kämpfe wurden nach Behördenangaben insgesamt mindestens 20 Menschen getötet. Etwa 600.000 Menschen, die meisten davon in Thailand, wurden bereits aus ihrer Heimat vertrieben.
Zwischen Kambodscha und Thailand schwelt seit Jahrzehnten ein Streit über die Grenzziehung im sogenannten Smaragd-Dreieck, wo die thailändische Provinz Surin und die kambodschanische Provinz Oddar Meanchey sowie Laos aneinander grenzen. Hintergrund des Konflikts ist eine unklare Grenzziehung aus der Kolonialzeit. Am Sonntag war der Konflikt wieder aufgeflammt. Bangkok und Phnom Penh werfen sich gegenseitig vor, die Angriffe wieder aufgenommen zu haben.
Erst Ende Oktober hatten die beiden südostasiatischen Nachbarländer unter Vermittlung der USA ein Abkommen unterzeichnet, das einen langfristigen Frieden sichern sollte. Thailand setzte die Umsetzung des Friedensabkommens vor knapp einem Monat jedoch aus.
US-Präsident Donald Trump wiederholte am Donnerstagabend in Washington seine Behauptung, acht Kriege beendet zu haben, wozu er auch den Konflikt zwischen Thailand und Kambodscha zählt. "Was Thailand und Kambodscha angeht, werde ich wohl ein paar Telefonate führen müssen, aber wir werden das wieder in Ordnung bringen", sagte er.
Trump hatte ein Gespräch mit den Regierungschefs Thailands und Kambodschas angekündigt, bei dem er ein Ende der Kampfhandlungen fordern wolle. Anutin, der bis zu den Neuwahlen weiter die Regierungsgeschäfte des Landes führt, erklärte, der Anruf sei für 21.20 Uhr (Ortszeit, 15.20 Uhr MEZ) geplant.
Y.Mori--JT